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KLAUS SACHS-HOMBACH / JAN-NOËL THON (HRSG.) Game Studies – Aktuelle Ansätze der Computerspielforschung; Köln: Halem, 2015; 504 Seiten, 36,- Euro

Computerspiele sind nicht mehr aus unserer Medienwelt wegzudenken. Ein Viertel aller Deutschen spielt regelmäßig, schicht- und altersunabhängig auf verschiedensten Plattformen (S. 10). So ist es kein Wunder, dass digitale Spiele auch den Weg in die Wissenschaft gefunden haben und im Rahmen sogenannter Game Studies in unterschiedlichen Forschungsdisziplinen untersucht werden. Zwar kann noch kaum von Computerspielforschung als eigenständiger Disziplin gesprochen werden, „… aber das interdisziplinäre Feld der Game Studies ist inzwischen deutlich stärker institutionalisiert als das noch um die Jahrtausendwende der Fall war“ (S. 12).

KLAUS SACHS-HOMBACH und JAN-NOËL THON geben mit ihrem Sammelband Games Studies einen Überblick über aktuelle Spieleforschung aus verschiedenen Perspektiven und Disziplinen, wie z.B. Kommunikationswissenschaft, Medienpsychologie und Kulturwissenschaft.

Gegliedert in drei Teile, bietet das Buch im ersten Teil: Spiel einen guten Einstieg in das Thema Game Studies: BENJAMIN BEILs Beitrag Game Studies und Genretheorie beschäftigt sich mit der Genrevielfalt von Spielen und stellt sie filmwissenschaftlichen Genre-Begriffen gegenüber. Er schlägt vor, Computerspielgenres mit Blick auf ihre Spielmechanik, ihre Perspektive und ihren narrativen Stil zu beschreiben und die Genretheorie als wichtiges Instrument der Computerspielanalyse zu würdigen.

GUNDOLF FREYERMUTH stellt das wechselseitige Verhältnis zwischen Game Studies und Game Design dar und kommt zu dem Fazit, dass künstlerische Perspektiven als grundlegender Teil der Computerspielforschung gesehen werden müssen und bei der theoretisch-historischen Reflexion über digitale Spiele nicht wegzudenken sind.

JAN-NOËL THON befasst sich in seinem Beitrag Game Studies und Narratologie mit ludologischen und narratologischen Ansätzen der Ereignisdarstellung in Games und verweist auf die Probleme, die sich durch Interaktivität und Nonlinearität als narrative Besonderheiten von Computerspielen ergeben.

KATHRIN FAHLENBRACH und FELIX SCHRÖTER, Games Studies und Rezeptionsästhetik,  entwickeln ein rezeptionsästhetisches Modell zur Analyse von Computerspielen, das sich auf Ergebnisse der Wahrnehmungs- und Kognitionsforschung bezieht. „Auf diese Weise entsteht eine Matrix zur Beschreibung der von Computerspielen ermöglichten Spielerfahrung“ (S. 18).

Teil 2 des Bandes: Nutzung beginnen LEONARD REINECKE und SINA A. KLEIN mit ihrem Beitrag Game Studies und Medienpsychologie, der sich mit den Bereichen Selektion (z.B. Nutzungsmotivation), Rezeption (Präsenzerleben, Flow, Immersion) und Aspekte der negativen und positiven Wirkung von Computerspielen  befasst.

JEFFREY WIMMER und JAN-HINRIK SCHMIDT, Game Studies und Mediensoziologie, begreifen Computerspiele vorrangig als Vermittlungsinstanzen zwischen Individuum und Gesellschaft. Dabei betonen sie die Rolle von Mediatisierungs- und Transferprozessen und das Problem exzessiven Spielens.

JOHANNES FROMME verbindet Game Studies und Medienpädagogik und bewertet Computerspiele innerhalb der technisch gestützten Sozialisation als wichtige Sozialisierungsinstanzen. Sein Beitrag behandelt die Frage nach den zentralen Themen der erziehungswissenschaftlichen Computerspielforschung.

CLAUDIA WILHELM beleuchtet geschlechtertheoretische Perspektiven in ihrem Text Game Studies und Geschlechterforschung. Nach einem Überblick zum Stand der Forschung stellt sie ein kommunikations- bzw. sozialwissenschaftlich orientiertes Modell zur Erklärung geschlechtstypischen Spielverhaltens vor.

Teil 3: Kontexte beginnt mit NATASHA ADAMOWSKYs Abhandlung Game Studies und Kulturwissenschaft,  in der sie die Kultur- und Mediengeschichte des traditionellen Spiels der Entwicklung der Computerspiele gegenüberstellt. Besonders wichtig ist ihr der kulturwissenschaftliche Blick auf den play und game Aspekt.

ROLF F. NOHR verbindet Game Studies und Kritische Diskursanalyse. „(…) der diskursanalytische Blick auf Computerspiele ist (…) der Versuch, die gesamtgesellschaftliche Wirklichkeit in der konkreten Analyse von Computerspielen besser zu verstehen“ (S. 21).

ANGELA SCHWARZ, Game Studies und Geschichtswissenschaft, beschäftigt sich mit der geschichtswissenschaftlichen und –didaktischen Bedeutung von Computerspielen anhand der Spiele Assassins Creed und Valiant Hearts: The Great War.

Den Band abschließend betrachtet JÖRG MÜLLER-LIETZKOW die Geschichte der Computerspiele und der Computerspielindustrie in seinem Beitrag Game Studies und Medienökonomie. Die teilweise chronologische, teilweise systematische Zusammenfassung zeigt, welche Konsquenzen Technologieentwicklungen, Nutzerpräferenzen und neue Geschäftsmodelle auf die Computerindustrie und Computerspielentwicklung haben.

Die zwölf Beiträge richten sich eher an Wissenschaftler, die neue Disziplinen und Methoden der Spieleforschung kennenlernen möchten, als an Einsteiger.  Die Lektüre erfordert ein wissenschaftliches Grundverständnis und Kenntnis des Fachvokabulars, da die Beiträge mit dem Stil und Wortschatz der jeweiligen Disziplin verfasst wurden. Eine einheitliche, disziplinübergreifende Theoriebildung gibt es im Feld der Game Studies noch nicht. Bezüge zwischen den Beiträgen gibt es, besonders interessant sind jedoch die von der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin vertretenen Sichtweisen und Systematisierungsvorschläge. Es ist das bedeutende Verdienst der Herausgeber, eine so große Vielfalt von Beiträgen zusammenzustellen.